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„Wir machen auf“ - Christine Sareng öffnet trotz Verbot ihr Damenmodegeschäft bis der Herr vom Ordnungsamt kommt
„Wir machen auf“ - Christine Sareng öffnet trotz Verbot ihr Damenmodegeschäft bis der Herr vom Ordnungsamt kommt
Von Thomas Weichert
FORCHHEIM
„Wir machen auf“, heißt eine Initiative des Krefelder Geschäftsmannes Macit Uzbay der hauptsächlich über Telegram Zehntausende von Geschäftsleuten folgen. Das inzwischen gegründete Internetforum Coronapedia hat aber erst 2370 Mitglieder. Eine, die sich an dieser bundesweiten Aktion beteiligt, ist Christine Sareng von „Christines Damenmoden“ in der Apothekenstraße, die am Montag pünktlich um 10 Uhr zusammen mit ihrem Mann André ihre Ladentür aufsperrte. Sie wollen damit ein Zeichen für den gebeutelten Einzelhandel setzen und ihr Geschäft dann definitiv am 18. Januar öffnen. Mit dabei ist ihr Rechtsanwalt Mario Bögelein.
Auf dem handgeschriebenen Plakat im Schaufenster steht, dass man auf „eine absolute Notsituation“ aufmerksam machen will, weil man am Ende der Möglichkeiten ist. Sie fürchten, dass die Läden sterben, die Innenstädte veröden. Die Regierung wir aufgefordert dem Handel zu helfen indem man die Läden wieder öffnen darf oder die Ladenbesitzer angemessen für ihre Verluste entschädigt. Es dauert etwa eine Stunde nach der Ladenöffnung bis ein Streifenwagen der Polizei vorfährt. Einer der Beamten frägt zunächst an der Ladentür ob das Geschäft offen oder zu ist. Er informiert dann, dass die Polizei verständigt wurde, dass es sich offenbar um einen Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz wegen unerlaubter Ladenöffnung handelt. André Sareng verweist auf das große handgeschriebene Plakat im Schaufenster auf dem als Überschrift steht "Wir machen auf_merksam" Danach beginnt vor dem Laden eine Diskussion zwischen den beiden Polizeibeamten, Christine und André Sareng und deren Rechtsanwalt Mario Bögelein. Im Laden befinden sich bereits einige Kunden. Eine der Kundinnen wird von einem der Polizisten als "stadtbekannte Dame" der „Forchheimer Freiheitsbewegung“ erkannt. Die Sarengs betonen, das sie nicht zur Querdenkerbewegung gehören. „Das lehnen wir strikt ab“, betont André Sareng. Die Kunden verlassen wenig später auf Ratschlag von Anwalt Bögelein den Laden wieder.
Polzei zeigt Verständnis
Die Beamten zeigen großes Verständnis für die Sorgen und Nöte der Ladeninhaberin und telefonieren in der Zwischenzeit mit dem Ordnungsamt, dass für die Einhaltung der Corona-Maßnahmen zuständig ist. "Die Polizei wird den Laden nicht schließen, dies ist Sache des Ordnungsamts", erklärt einer der Beamten. Seit 2009 betreibt Christine Sareng ihr Damenmodegeschäft das bis zum ersten Lockdown im Frühjahr auch gut gegangen sei. Jetzt, nach dem zweiten Lockdown, weiß sie kaum mehr wie sie ihre Ladenmiete und die Löhne ihrer Mitarbeiterinnen bezahlen soll. Im Frühjahr gab es etwas Geld vom Staat durch die Coronahilfe. Seit dem zweiten Lockdown ist aber noch nichts angekommen. „Unser Steuerberater sieht diese Hilfen auch kritisch, weil sie vielleicht zurückbezahlt werden müssen“, sagt Andre´Sareng. „Mode unterliegt immer dem neuesten Trend“ so seine Frau die betont, dass sie ihre Winterkollektion, die sie eingekauft hat, nächstes Jahr auch nicht mehr verkaufen kann. Internethandel mache da auch keinen Sinn. „Denn unsere Stärken liegen in der persönlichen Kleiderstilberatung unserer Kunden“, so die Geschäftsfrau. Einen Webshop, der auch Geld kostet und für den es Personal braucht, könne man jetzt im Lockdown auch nicht mehr aufbauen.
Absolute Notsituation
Das Bußgeld für die unerlaubte Ladenöffnung fürchten die Sarengs nicht. „Uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen öffnen, denn länger können wir nicht mehr warten“, sagen beide. Für Anwalt Bögelein besteht die Möglichkeit das ein Bußgeld im Rahmen eines Verfahrens wieder kassiert wird. Er verweist auf das Grundgesetz und Europarecht. Dem Recht auf Arbeit und der Berufsfreiheit. „Einschränkungen müssen verhältnismäßig sein.“ Komplett unverhältnismäßig seien diese aber zwischen dem Einzel- und dem Großhandel. „In der Metro“, so der Anwalt, „kann man schließlich auch Kleidung kaufen.“ Und die hat offen und dort sind die Menschen dicht gedrängt. Im Laden von Christine Sareng gelten die Corona-Vorschriften. Darauf weist auch ein Plakat an der Ladentür hin. Maskenpflicht und Abstandsgebot. Darunter hängt aber auch das „Supermannplakat“ aus dem Internet, dass darauf hinweist, das auch Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen können, willkommen sind. Die Ladeninhaberin selbst hat ein ärztliches Attest, weil sie genau aus diesem Grund keinen Mund- Nasenschutz tragen kann. „Die meisten Infizierten gibt es in den Alten- und Pflegeheimen, dort soll man die Leute lieber besser schützen“, so Andre´Sareng.
Händler haben keine Angst vor dem Virus, aber vor Strafe
Warum andere Ladenbesitzer in der Nähe bei dieser Aktion nicht mitmachen ? Das habe man versucht, mit anderen Einzelhändlern gesprochen. „Die Menschen haben nicht Angst vor dem Virus, sondern von der Strafe und der Polizei. Das man vor der Polizei keine Angst haben muss, beweisen die beiden Beamten vor Ort. „So müssten alle Polizeibeamten sein“, lobt Christine Sareng die Ordnungshüter. So vergeht die Zeit durch weitere Diskussionen und mit dem Warten einer Entscheidung vom Ordnungsamt. Der Laden ist nach wie vor offen. Gegen Mittag kommt dann ein Beamter vom Landratsamt vorbei und erklärt den Sarengs die Rechtslage. Sie sind einsichtig und schließen ihren Laden. Wie Pressesprecher Holger Strehl vom Landratsamt erklärt, hat die Polizei eine Ordnungswidrigkeitenanzeige aufgenommen. Die geht nun ans Landratsamt das dann entscheidet ob es ein Bußgeld gibt oder nicht. Laut „Bußgeldkatalog Coronapandemie“ beträgt der Regelsatz für unerlaubte Ladenöffnung 5000 Euro. Laut Strehl kommt es aber immer auf den Einzelfall an wie hoch so ein Bußgeld dann tatsächlich ausfällt. Das muss geprüft und abgewägt werden. Sollte Christine Sareng ein Bußgeld bekommen, wird ihr Anwalt dagegen auf jeden Fall Widerspruch einlegen. „Wir haben jedenfalls ein Zeichen gesetzt“, betonen Christine und André Sareng.