Bögelein & Dr. Axmann stellen Eilantrag gegen Testpflicht an Schulen - Testpflicht an bayerischen Schulen widerspricht bisheriger Rechtsprechung des BayVGH
Von Thomas Weichert
FORCHHEIM
Heute hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bekannt gegeben, dass die Testpflicht an den Schulen nach den Osterfeiertagen nochmals ausgeweitet wird. Der Forchheimer Rechtsanwalt Mario Bögelein von der Kanzlei Bögelein und Dr. Axmann Rechtsanwälte hat deshalb für einen Schüler einer vierten Klasse und einen Schüler einer 12. Klasse einer Fachoberschule einen Eilantrag gegen die Testpflicht beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht.
Rechtsanwalt Bögelein zeigt sich verwundert darüber, dass die bayerische Staatsregierung trotz der entgegenstehenden Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 02.03.21, Az. 20 NE 21.353 eine Testpflicht zur Teilnahme am Unterricht eingeführt hat:
„Wenn der Bayerischer Verwaltungsgerichtshof eine regelmäßige Testpflicht für Mitarbeiter von Alten- und Pflegeheimen als rechtwidrig erachtet, muss diese Rechtswidrigkeit auch für die regelmäßige Testung von Schülern gelten. Weder tragen die Schüler nach einer aktuellen Presseinformation der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin überproportional zum CoVid 19 Infektionsgeschehen bei, noch sind Schüler gefährdet, eine Infektion mit schwerem Verlauf zu erfahren. Die jüngst erhöhten Infektionszahlen bei Schülern sind nachweislich lediglich auf eine massive Ausweitung der Tests in dieser Altersgruppe zurückzuführen.“
Der Rechtsanwalt kritisiert in dem Eilantrag zudem scharf die (seiner Ansicht nach sinnbefreite) alleinige Koppelung der Maßnahmen an den Sieben-Tages-Inzidenzwert, ohne dass dabei die Anzahl der durchgeführten Tests, also die der absoluten Zahl, berücksichtigt wird.
Darüber hinaus sieht auch das Infektionsschutzgesetz nur eine regelmäßige Testung von ansteckungsverdächtigen Personen vor, die bei den geplanten anlasslosen Massentests von Schülern gerade nicht gegeben ist. Insbesondere der neunjährige Antragsteller aus der vierten Klasse klagt bereits jetzt über Ängste vor einem (falsch) positiven Test, der ihm bei einem Test in der Klassengemeinschaft zum „Opfer“ stigmatisieren würde.
Rechtsanwalt Bögelein erhofft sich daher im Sinne der Kinder eine schnelle Entscheidung, da diese von den Corona-Maßnahmen außerordentlich stark betroffen sind. Die Entscheidung wird vor dem Ende der Osterferien erwartet.
Laut Auskunft des VGH kann erst nächste Woche, voraussichtlich am Dienstag, eine Entscheidung über den Eilantrag von RA Bögelein getroffen werden, weil dem VGH die Verordnung des bayerischen Kabinetts dazu noch nicht vorliegt. Weiterhin gingen beim VGH weitere Eilanträge dazu von weiteren Rechtsanwälten ein.
VGH-München: "Corona-Tests für Schüler müssen freiwillig sein "Schülern dürfen keine Nachteile entstehen"
Geklagt hatte eine Schülerin aus Regensburg. Über den Eilantrag der Rechtsanwälte Bögelein & Dr. Axmann liegt mir das Urteil noch nicht vor.
Das Gerichtsurteil weicht Söders „Testpflicht für alle“ auf. Einen ersten Eilantrag gegen die Corona-Testpflicht für Schüler hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof heute zwar abgelehnt. Das Gericht betont in seinem Urteil jedoch, dass die Teilnahme an solchen Tests nur freiwillig geschehen dürfe. Bei fehlendem Einverständnis müsse sichergestellt sein, dass Unterrichtsangebote im Distanzunterricht bestehen. Schülern dürften keine Nachteile entstehen, wenn sie sich nicht testen wollen.
Damit schätzt das Gericht den Distanzunterricht als gleichwertig mit dem Präsenzunterricht ein. Das zeugt freilich von wenig Wirklichkeitskenntnis und Lebenserfahrung. Nicht in die Schule gehen zu dürfen, nicht der Klassengemeinschaft angehören zu dürfen, zudem die Lehrkraft mit zusätzlicher Arbeit für den Distanzunterricht zu belasten: Das alles dürfte den Schülern, die sich nicht testen wollen, zum Nachteil gereichen. Der soziale Druck von Lehrern und Mitschülern, doch an den Tests teilzunehmen, um der Gemeinschaft wieder angehören zu können, dürfte groß sein. Gericht sieht Gefahr psychischer Belastungen
Der Verwaltungsgerichtshof sieht durchaus kritische Punkte in der Teststrategie hinsichtlich zu erwartender falsch-negativer und falsch-positiver Ergebnisse. Es sei nämlich „zu berücksichtigen, dass falsch-positive Testergebnisse zu unnötigen Freistellungen vom Schulbesuch infolge einer Isolierung oder einer Quarantänisierung führen, die auch für die Betroffenen psychische Belastungen mit sich bringen können. Zusätzlich könnten falsch-negative Testergebnisse möglicherweise auch erhöhtes Risikoverhalten infolge vermeintlicher Sicherheit hervorrufen und damit kontraproduktiv wirken.“ Das Gericht beruft sich dabei auf eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie. Das Testen in Schulen erfordere daher „eine ständige Begleitung und Evaluation, welche die bestehenden Vor- und Nachteile der eingeschlagenen Teststrategie bewertet.“
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zeichnet indes in seiner Urteilsbegründung ein dramatisches Bild. Demnach gibt es bereits in der kommenden Woche auf den Intensivstationen in Deutschland keine freien Plätze mehr für Corona-Patienten: „Die Prognosen deuten darauf hin, dass in der Kalenderwoche 16 die COVID-19-spezifischen Intensivkapazitäten ausgeschöpft sein könnten.“ Ohne die Tests in den Schulen könnte die Zahl der Erkrankungen weiter steigen. Daher sei die Vorgehensweise der bayerischen Staatsregierung angemessen. Dass durch die Ausweitung der Massentests auch die Zahl der nominellen Corona-Fälle steigen wird, lässt das Urteil allerdings unberücksichtigt. Ministerrat: Testpflicht auch bei niedriger Inzidenz
Der Bayerische Ministerrat macht jedoch das Testen gar nicht von der Zahl der Corona-Fälle abhängig: „Ein negativer Testnachweis ist nun für die Schülerinnen und Schüler inzidenzunabhängig Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht“, heißt es in einem kultusministeriellen Schreiben vom 9. April.
Eltern, die nicht ausdrücklich schriftlich widersprechen, müssen im übrigen auch weiterhin damit rechnen, dass sich ihre Kinder ohne ihr Wissen testen müssen. In dem besagten Schreiben vom 9. April heißt es nämlich auch: „Schicken Erziehungsberechtigte ihre Kinder ohne Testnachweis in die Schule …, ist angesichts der zwingenden infektionsschutzrechtlichen Vorgaben der 12. BayIfSMV davon auszugehen, dass die Erziehungsberechtigten … mit der Durchführung einer Selbsttestung in der Schule einverstanden sind.“
Stellungnahme von Rechtsanwalt Bögelein zu diesem Urteil im Parallelverfahren:
Sachstand und Beantwortung wesentlicher Fragestellungen
Aufgrund einer unglaublichen Anzahl an E-Mails und telefonischen Anfragen ist es leider derzeit nicht möglich, auf die einzelnen Anfragen gesondert zu antworten. Die Rechtsanwälte bitten diesbezüglich um Verständnis. Zu den wesentlichen Fragestellungen nehmen wir wie folgt Stellung:
1. Verfahrensstand- Entscheidung eines Parallelverfahrens vom 12.04.21, Az. 20 NE 21.926 Eine Entscheidung zu dem von uns gestellten Eilantrag der beiden Schüler liegt bis zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung 13.04.21, 18:20 Uhr nicht vor.
In dem Parallelverfahren wurde ein Eilantrag gegen die Testpflicht abgelehnt, was die Chancen für den Eilantrag von Bögelein und Dr. Axmann natürlich nicht erhöht. Allerdings hat der bayerische Verwaltungsgerichtshof in der benannten Entscheidung den betroffenen Schülern und Eltern wesentliche Zugeständnisse gemacht, die als (nicht unerheblicher) Zwischenerfolg angesehen werden können:
• Die Testung erfolgt freiwillig, weil besonders sensible Gesundheitsdaten erhoben werden (Art. 9 DSGVO). Bei fehlendem Einverständnis der Erziehungsberechtigten muss sichergestellt sein, dass ein gleichwertiger (!) Ersatz in Form eines Distanzunterrichtes stattfindet Es dürfen keine Bildungsnachteile dadurch entstehen. (siehe Rn. 27 des Beschlusses).
• Es dürfen nur Schnelltests Anwendung finden, die für die jeweilige Altersgruppe, insbesondere auch Grundschulklassen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemäß § 11 Abs. 1 Medizinproduktegesetz freigegeben sind (siehe Rn. 28 des Beschlusses).
2. Handlungsempfehlungen/ Informationen zu Schnelltest Eltern, die nicht wollen, dass ihre Kinder in der Schule getestet werden, sollten einer Testung ausdrücklich gegenüber der Schulleitung widersprechen. Die Schule muss in diesem Fall für ein gleichwertiges Angebot im Distanzunterricht sorgen. Davon sind nach Auffassung von Rechtsanwalt Bögelein auch die Leistungsnachweise umfasst.
Nach dem Kenntnisstand der Rechtsanwälte sind derzeit die vorgesehenen Schnelltests die vom BayVGH festgelegten Voraussetzungen nicht (!) und dürfen daher keine Anwendung finden. Es bleibt daher mit Spannung abzuwarten, wie das Kultusministerium mit diesen Vorgaben umgeht.
3. Verfahren in anderen Bundesländern Wir haben aus einer Vielzahl von Bundesländern Anfragen zu gleich gelagerten Eilanträgen erhalten. Wir prüfen derzeit unsere Kapazitäten, ob wir auch in anderen Bundesländern entsprechende Eilanträge begleiten können
4. Weitere Informationen zum Eilantrag von Bögelein & Dr. Axmann Sobald eine Entscheidung vorliegt, werden wir an dieser Stelle berichten.