Erst die Folter dann der Galgen in Pottenstein - Das Pottensteiner Hochgericht
POTTENSTEIN
Im Büro von Museumsleiter Rainer Hofmann im Fränkische-Schweiz-Museum stapelten sich vor drei Jahren die Kartons mit menschlichen Knochen. Skelettteile und Knochenreste und sogar ein noch komplett erhaltener menschlicher Schädel. Fast unzählige Überreste von Menschen, die einst auf grausame Art und Weise zunächst gefoltert und dann am Pottensteiner Hochgericht am Bayreuther Berg aufgehängt wurden
Hofmann selbst und Museumspädagoge Jens Kraus, der ebenso wie Hofmann Archäologe ist, hatten mit Zustimmung des Denkmalamtes damals wissenschaftliche Ausgrabungen am Pottensteiner Hochgericht vorgenommen und neben den menschlichen Überresten auch eine Messerklinge, Kleiderbeschläge und kleine Ringe gefunden.
Hofmann schätzte, dass bei den Ausgrabungen Überreste von mindestens 15 Menschen gefunden wurden, die am Pottensteiner Hochgericht einst hingerichtet wurden. Genaueres über die Anzahl der Toten kann man aber erst sagen, wenn die Arbeit der Anthropologen abgeschlossen ist, die nun beginnen soll und wesentlich zeitaufwändiger wird als die Ausgrabungen selbst. Auch das Hochgericht beziehungsweise die Ruine davon soll wieder restauriert werden, um sie der Nachwelt zu erhalten. Dafür sind auch Spezialisten gefragt.
Den Anstoß für die Ausgrabungen am Hochgericht gab die derzeit im Museum laufende Sonderaustellung "Bettler, Jauner, Galgenvögel - In den Fängen der Justiz", erklärt Hofmann. Finanziert werden nun die weiteren Forschungen unter anderem von der Oberfrankenstiftung, dem Landesamt für Denkmalpflege und der Stadt Pottenstein. "Das wird noch eine aufwändige Geschichte", meint Kraus. Den einzigen noch erhaltenen Schädel fand man etwa 20 Zentimeter unter der Grasnarbe im Hochgericht selbst, wo man auch die meisten anderen Knochen gefunden hat. "Wurde jemand erhängt, blieb er meistens so lange hängen, bis seine Überreste von selbst vom Galgen abfielen. Von Gräfenberg weiß man, dass dort ein Erhängter vier Jahre lang zur Abschreckung am Galgen hängen blieb. Dann kam der Scharfrichter, sammelte die Skelettteile ein und vergrub sie im Hochgericht. Denn Erhängte waren unehrenhafte Menschen und durften nicht auf Friedhöfen bestattet werden", erläutert der Archäologe Kraus.
Nur drei Hochgerichte erhalten
Wie alt der gefundene Schädel ist, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Allerdings gehen Hofmann und Kraus davon aus, dass er spätestens vom Ende des 18. Jahrhunderts stammt, da zu dieser Zeit die letzte öffentliche Hinrichtung in Pottenstein stattfand. Hofmann schätzt, dass der Mensch, dem dieser Schädel gehörte, etwa 40 Jahre alt war, als er hingerichtet wurde. Pottenstein ist neben Burglengenfeld in der Oberpfalz und Wörth in Unterfranken nur einer von drei Standorten im Freistaat, in denen das Hochgericht noch erhalten ist. Anfang des 19. Jahrhunderts sollten alle Hinrichtungsstätten in Bayern abgetragen werden. "Warum gerade das Hochgericht in Pottenstein erhalten blieb, wissen wir noch nicht", sagt Kraus. Möglich könnte aber sein, das man in Pottenstein damals schlichtweg vergessen hat, die Anordnung der Regierung umzusetzen.
Ein Galgen stand immer außerhalb einer Siedlung auf einer Anhöhe, um weit sichtbar zu sein. "Der Galgen war ein Symbol des Herrschaftsanspruchs, denn die Halsgerichtsbarkeit hatte nicht jeder", erklärt Kraus. Zudem sollte er auch als Abschreckung für Gauner und Verbrecher dienen, deshalb spricht man auch von einem inszenierten Hochgericht, da die gesamte Bevölkerung an den Hinrichtungen teilnehmen musste.
Ein Beschuldigter von damals wurde zunächst in der Pottensteiner Fronfeste, dort etwa wo sich heute das SeniVita-Seniorenheim befindet, eingelocht. Hat er die Tat, derer er beschuldigt wurde, nicht gestanden, dann folgte ein "peinliches Verhör", sprich er wurde gefoltert, bis er gestand. Am nächsten Tag musste er sein Geständnis noch einmal ohne Folter wiederholen. Tat er es nicht, konnte er wiederum gefoltert werden. Dies übernahm in Pottenstein auf Vermittlung des Amtmannes der Scharfrichter aus Forchheim.
Die Beichtsäulen stehen noch
War dann das Todesurteil gefällt, so wurde der zum Tode Verurteilte vom Pottensteiner Rathaus zum Hochgericht geführt. Unterwegs gab es zwei Beichtsäulen, eine hinter der Kunigundenkirche und eine gegenüber der Pottensteiner Schule, die noch heute als Denkmäler erhalten sind. An denen musste der Verurteilte auf dem Weg zu seiner Hinrichtung noch einmal seine Sünden beichten. Die Hinrichtung glich dann fast einem Volksfest und die Leichenteile der Erhängten waren begehrt. Mit ihnen verdiente sich der Henker nebenbei noch Geld.
Menschenfett war damals zum Beispiel in den Apotheken als Einreibemittel begehrt, die getrockneten und zerstoßenen Hoden als Potenzmittel. Oder ein Fingerknochen im Geldbeutel oder in der Kasse des Wirts sollte Glück bringen, damit das Geld nie ausgeht. "Es gab fast keinen Teil des menschlichen Körpers, den man nicht für irgendwelche abstrusen medizinische oder glücksbringende Zwecke verwenden konnte", erklärt Jens Kraus.
Aus den nun gefundenen menschlichen Überresten lasse sich vieles schließen. Zum Beispiel, wie viele Menschen in Pottenstein hingerichtet wurden. Welches Geschlecht sie hatten, ob sie irgendwelche Krankheiten hatten oder Verletzungen und ob es Verbiss von wilden Tieren an den Leichen gab. Durch die heutige moderne Technik wäre es durch eine DNA-Analyse sogar möglich, herauszufinden, ob Vorfahren von heutigen Pottensteinern erhängt wurden. "Es müssen aber auch keine Einheimischen gewesen sein, die einst am Pottensteiner Hochgericht ihr Leben aushauchten", sagt Kraus, für den jetzt erst die eigentliche Arbeit beginnt.
Auch ein menschlicher Schädel fand sich bei den Ausgrabungen am Pottensteiner Hochgericht. Foto: Thomas Weichert