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900 Jahre Landwirtschaft im Wandel der Zeit – Rückblick und Ausblick von Agrarexperten Anton Adelhardt
900 Jahre Landwirtschaft im Wandel der Zeit – Rückblick und Ausblick von Agrarexperten Anton Adelhardt
Von Thomas Weichert
Waischenfeld
Der Waischenfelder Anton Adelhardt ist ein ausgewiesener Agrarexperte der die bayerische Landwirtschaftspolitik in der Neuzeit maßgeblich mitgestaltet hat. Nicht nur weil er in dem kleinem Dorf Zeubach in einer Gast- und Landwirtschaft aufgewachsen ist, sondern weil er Agrarwissenschaften studierte und zuletzt bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2005 Ministerialdirektor im Bayerischen Landwirtschaftsministerium war. Als Schirmherr des Festjahres 900 Jahre Waischenfeld hielt Adelhardt als Abschlussveranstaltung nun einen Vortrag auf Burg Waischenfeld der die Geschichte der Landwirtschaft in diesen 900 Jahren zum Thema hatte.
Fotos: Anton Adelhardt während seines Vortrags und die Landwirtschaft früherer Zeiten in Heroldsberg bei Waischenfeld.
Wie Adelhardt vor großem Publikum betonte, sind 900 Jahre in der Geschichte der Landwirtschaft nur eine kurze Periode. Denn vor zirka 12- bis 14000 Jahren begannen die nomadisierten Jäger und Sammler sesshaft zu werden, bauten sich Hütten, legten Felder an und domestizierten wilde Tiere zu Haustieren. Dadurch, so Adelhardt, wurde die Agrikultur, sprich der Ackerbau, zur Grundlage jeder Kultur. Als Waischenfeld vor 900 Jahren erstmals urkundlich erwähnt wurden, gab es noch keine selbstständigen Bauern. Das Land gehörte Adeligen, der Bauer war Leibeigener und musste einen Teil seiner Erträge an den Grundherren abliefern. Man nannte dies „Ehgartwirtschaft“. Daneben gab es Hofgüter die auf Anordnung Karls des Großen eingerichtet und geführt wurden. Der Kaiser hatte keine feste Residenz sondern seinem Gefolge mit etwa 1000 Personen von Pfalz zu Pfalz. Deshalb auch der Name „Kaiserpfalz Forchheim“. Damals, so Adelhardt, lebten über 90 Prozent der Bevölkerung bei uns von der Landwirtschaft. Wie sich die Landwirtschaft dann bis heute entwickelt hat, hängt vor allem auch mit dem Klima zusammen. Von 1000 Jahren begann die mittelalterlichen Warmzeit in der die Temperatur um 1,5 Grad höher lag als in den 1990ger Jahren. „Deshalb nimmt man diese Zeit um 1990 als Referenzzeitraum bei den aktuellen Diskussionen um die globale Klimaerwärmung und die Forderung, die Erwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen“, so Adelhardt. Die Landwirtschaft entwickelte sich vor 900 Jahren positiv. Die Bevölkerung wuchs stetig an, die Bauern rodeten Wald um Ackerland zu gewinnen und verbesserten die Anbauverfahren. Aus der Wechselwirtschaft „Acker-Weide“ entwickelten sich die neue „Dreifelderwirtschaft“. Einen gewaltigen Einbruch erlebte die Landwirtschaft mit der Pestepedemie, die einen großen Teil der Bevölkerung hinraffte. Es fehlten die Verbraucher und um dies auszugleichen erhöhten die Grundherren die Abgaben. 1525 kam es deshalb zum Bauernkrieg und gleichzeitig machte sich ein beginnender Klimawandel bemerkbar. Es wurde kälter. Die Bauern mussten mit ihren Anbauverfahren darauf reagieren. Auch in vielen Gegenden Frankens war der Weinbau weit verbreitet. Der Wein gedieh nicht mehr, die Bauern stellten ihre Kulturen daher auf Hopfenanbau um. So wurde das „Weinland Bayern“ zum Bierland. Dann kam der 30-jährige Krieg. Es dauerte 100 Jahre bis sich die Landwirtschaft von den Folgen dieses Krieges wieder erholte. Neue Herausforderungen für die Bauern waren der Beginn der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit der Erfindung der Dampfmaschine. Da immer Menschen versorgt werden mussten wurde mehr Wald gerodet, Moore trocken gelegt und der Kartoffelanbau eingeführt. Justus von Liebig erfand den Stickstoffdünger was zu enormen Ertragssteigerungen führte. 1808 wurden die Bauern aus der Leibeigenschaft entlassen, um 1860 die ersten Genossenschaften gegründet. Mit Erfindungen wie der Eisenbahn und Dampfschiffen, die große Mengen an Waren aus Amerika und Afrika liefern konnten, kam es für die einheimischen Bauern zu existentiellen Problemen, Baumwolle aus Amerika machte den Flachsanbau unwirtschaftlich. Die Bauern reagierten mit Produktionsumstellung. Milch wurde zum Schwerpunkt, das Allgäu zum Zentrum der Käseproduktion in Bayern. Einbrüche verzeichnete die Landwirtschaft in den beiden Weltkriegen. Ab den 1950ger Jahren wanderten viele landwirtschaftliche Arbeitskräfte in die Industrie ab. Man sprach von der Landflucht. Die Mechanisierung ersetzte die Arbeitskraft in der Landwirtschaft, die Bauern spezialisierten sich. Maschinen- und Erzeugerringe wurden gegründet und Freistaat Bayern half mit speziellen Förderprogrammen benachteiligten Gebieten. Anfangs der 1970ger Jahre war die Getreidepreissenkung ein Schock für die Landwirte. Grund war der Beitritt in die EWG. Die Folge: „Getreidehalden, Milchseen und Butterberge, was zu empfindlichen Störungen des Weltmarktes führte. Dieses System war auf Dauer nicht finanzierbar. Daher kam die Umstellung der Direktzahlungen über die Fläche. Profiteure waren Großlandwirte, denn es wurde der Landbesitz honoriert, nicht die Landbewirtschaftung. Die Folge war das „Bauernsterben“. Viele kleine Landwirte gaben auf. Derzeit erfolgt eine weitere Umstellung. Stichwort: „Mehr Grün.“ Für Adelhardt ist klar das die ökologischen Anforderungen für die Bauern zunehmen werden und der fortschreitende Klimawandel neue Herausforderungen mit sich bringt. Es stehe aber fest das man auch künftig nicht auf eine leistungsfähige Landwirtschaft verzichten könne. Mechanisierung, Technisierung und Digitalisierung können laut Adelhardt die grundlegenden Probleme aber nicht lösen. Denn was nützt ein GPS-gesteuerter selbstfahrender Schlepper, wenn es nicht regnet ? Eine Antwort könne laut Adelhardt nur sein einem gesundem Ackerboden wieder mehr Beachtung zu schenken. Durch Bedeckung und schonende Bearbeitung müsse der Boden entsprechend gepflegt werden. Es sollte überlegt werden ob es sinnvoll sei um jeden Preis Biogas auf Maisbasis zu erzeugen. Die Landwirtschaft erbringt auch unverzichtbare Leistungen für die Landschaftspflege und somit für den Erhalt unserer Kulturlandschaft. Adelhardt stuft die Zukunft unserer Landwirtschaft als optimistisch ein. Denn die Landwirte seien bei den Fragen der Zukunft ihres Berufsstands schon viel weiter, als man vermute. „Die bäuerliche Jugend rüstet sich für die Zukunft – wenn das nicht Hoffnung gibt“, schloss Adelhardt sein Vortrag.