Gößweinstein: Gärtnereien kämpfen ums Überleben - Sie fordern die umgehende Öffnung ihrer Geschäfte
Von Thomas Weichert
GÖSSWEINSTEIN
Nach dem Impfgipfel am vorletzten Montag hat Ministerpräsident Markus Söder die Menschen auf eine Fortsetzung des Lockdowns über den 14. Februar hinaus vorbereitet. „Große Öffnungen“ seien aus seiner Sicht „nicht vertretbar“, sagte Söder. „Das wäre für uns geradezu eine Katastrophe“, sagen die Jungunternehmer Anna-Lena Wiedow und David Schrüfer von den beiden gleichnamigen Gößweinsteiner Gärtnereien. Zumal der 14. Februar, der wegen des Valentinstags, einer der wichtigsten Tage im Jahr für den Blumenverkauf ist.
Die Gärtnermeister Anna-Lena Wiedow und David Schrüfer blicken in eine ungewisse Zukunft. Foto: Thomas Weichert
Die 30-jährige Gärtner- und Floristmeisterin und der 31-jährige Gärtnermeister blicken aber nicht nur wegen des Valentinstags in eine düstere Zukunft. Sie fürchten das ihnen das komplette Frühjahrsgeschäft, das Hauptgeschäft des ganzen Jahres, fast komplett wegbrechen wird. „Da wir verderbliche Ware haben ist unser Verkaufszeitraum auf wenige Wochen im Jahr begrenzt. Pflanzen, die nicht verkauft werden können, müssen wir wegwerfen. Dabei machen wir 70 Prozent unseres Jahresumsatzes im Frühling“, sagt Schrüfer und Wiedow erinnert: „Dieses Geschäft ist uns bereits letztes Jahr teilweise durch den Lockdown verloren gegangen und wird es dieses Jahr wieder, vielleicht sogar komplett, wenn wir nicht bald wieder öffnen dürfen.“ Sie befürchten, dass dies dann die Existenz ihrer alteingessenen Betriebe und somit auch ihre und die ihrer Familien und Beschäftigten vernichtet. „Call & Collect ist für uns keine Absatzmöglichkeit denn damit ist nur ein kleiner Teil des gewöhnlichen Umsatzes möglich. Nicht einmal zehn Prozent“, erklärt Wiedow. Auch stehe der Zeitaufwand dafür in keinem Verhältnis zu den Einnahmen. „Wir machen das nur, um unsere Kunden mit Pflanzen zu versorgen und damit wir nicht alle wegwerfen müssen“, ergänzt Schrüfer.
Kunden wollen Blumen anschauen
Call & Collect sei in dieser Branche zudem schwierig, weil Pflanzen keine Produkte „von der Stange sind, sondern jede einzelne Pflanze individuell ist und von den Kunden angeschaut, angefasst und ausgesucht werden will und weil man einen nicht unsagbaren Teil des Geschäftes durch Impulsverkäufe macht. Der Kunde, wenn er in der Gärtnerei ist, auch Blumenerde oder Gemüse und Gemüsepflanzen, Töpfe oder Balkonkästen und vieles mehr kauft. „Durch den hohen Aufwand mit Call & Collect geht uns Zeit verloren, die wir zum Produzieren der Sommerpflanzen und der Gemüsejungpflanzen benötigen“, so Schrüfer. Da der Verkauf nicht gesichert sei, wisse man zudem nicht wie man aktuell weiterproduzieren soll. Denn Tomaten-, Gurken-, Paprika- oder , Salatpflanzen, Kohlarten und vieles mehr stünde jetzt zum Aussäen und Topfen an. Wiedow und Schrüfer verweisen auf die große Ungerechtigkeit zwischen dem Lebensmitteleinzelhandel und den produzierenden Gärtnereien. „Der Supermarkt darf alles verkaufen was wir auch haben, muss es aber dazukaufen“, so Wiedow. Da kommt das Gemüse und die Blumen dann aus Holland oder aus der ganzen Welt. Außerdem seien die Verkaufslächen in ihren Gewächshäusern weitaus größer als in einem Supermarkt. Viel leichter könne man desahlb auch sämtliche Hygienemaßnahmen einhalten.
Keine staatlichen Hilfen für landwirtschaftliche Betriebe
Als landwirtschaftliches Unternehmen müsse man bis zu zwölf Monate im Voraus planen und in Vorleistung gehen. Die Gärtnereien und Blumenfachgeschäfte fühlen sich erniedrigt und von der Politik vergessen. „Denn wir sind Betriebe der Landwirtschaft, wir gewährleisten auch die Versorgung von Lebensmitteln im gesamten Frühjahr und Sommer. Wir können einfach nicht verstehen, warum landwirtschaftliche Betriebe wie wir nicht systemrelevant sind“, so Schrüfer und Wiedow. Die Menschen freuen sich gerade in dieser tristen Zeit auf das Frühlingssortiment der Gärtner. Sie können dadurch in ihre Gärten gelockt werden und weg von den Freizeithotspots, betonen die Gärtnermeister. Außerdem würde sich bei Öffnung der Einzelhandelsgeschäfte der Ansturm auf die Lebensmittelmärkte deutlich verringern und sich auf den gesamten Einzelhandel verteilen. Somit wäre ein größerer Abstand zwischen den Kunden gesichert und würde alles entzerren. Ein wichtiges Geschäftsfeld der Gärtnereien ist aber auch die Trauerfloristik. „In so einer Situation sind persönliche Gespräche mit den Trauernden sehr wichtig. Wir begleiten Menschen in ihrer Trauer und unterstützen sie in ihrer oft sehr traurigen und schwierigen Lebenslage. Das geht nicht per Telefon oder Mail“, so beide unisono. Zudem gäbe es keinerlei staatliche Hilfen für den Gartenbau. Zukunft ungewiss - Keine Antwort der Politiker
„Wir versuchen uns mit sämtlichen Ideen, um Verkauf zu erzielen - Call & Collect, Facebook, Internet, Aufsteller, usw. - , durchzukämpfen. Dieser enorm große Aufwand bringt uns körperlich als auch psychisch an unsere Grenzen“, betonen beide und blicken in eine ungewisse Zukunft mit großen Existenzängsten. Der Konkurrenzkampf zwischen dem Lebensmitteinzelhandel und Einzelhandelsgärtnereien werde zudem immer aggressiver. „Wir sind auf unsere Kunden angewiesen. Wir sind das Fachgeschäft und können beraten. Mit unseren Betrieben gehen Know-how, Ausbildungsplätze, Arbeitsplätze und Pflanzen, in denen viel Liebe, Zeit und Geld steckt, verloren“, so die Geschäftsnachfolger der beiden alteingessenen Gößweinsteiner Gärtnereien. Anna-Lena Wiedow und David Schrüfer wollen aber weiterkämpfen. Für sich, für ihre Familien, ihre Angestellten und vor allem ihre treuen Kunden. Sie haben auch schon alle örtlich zuständigen Landtags- und Bundestagsabgeordneten angeschrieben um auf ihre fast hoffnungslose Situation hinzweisen. Eine Antwort blieb bis heute aus.