Gößweinstein: Bürgerversammlung zum Rathaus ins Pfarrhaus
Von Thomas Weichert
GÖSSWEINSTEIN
Bürgermeister Hanngörg Zimmermann (FW) wirkte sichtlich angespannt. Am Schluss dann erleichtert, weil die anwesenden Bürger den Umzug der Verwaltung in das Pfarrhaus mehrheitlich befürworteten. Zu seiner Informationsversammlung zum Thema Rathaus waren rund 100 Bürgerinnen und Bürger in die Schulturnhalle gekommen, darunter auch fast alle Marktgemeinderäte.
So könnte es einmal aussehen.
Auch Architekt Michael Schoener vom Leipziger Architekturbüro Schoener + Panzer war gekommen und präsentierte einen Rohentwurf zum Umbau des Pfarrhauses zum Rathaus mit Pfarramt, Tourist-Info, einem Saalneubau, den öffentlichen Toiletten und der Öffnung des Pfarrgartens für die Allgemeinheit. Derzeit ist das Büro mit weiteren zahlreichen Fachbüros dabei eine Grundlagenermittlung durchzuführen. Die Vorplanung mit der ersten Kostenschätzung wird laut Schoener dem Marktgemeinderat im September vorgestellt. Zimmermann ging in seinem Vortrag weit zurück. 1963 kaufte die Gemeinde das Forsthaus mit Baujahr 1863 und baute es zum Rathaus um. 1988 wurde die Sanierung und Erweiterung des Rathauses als dringliche Maßnahme bei der Städtebauförderung angemeldet. Zahlreiche Planungsvarianten an zehn verschiedenen Standorten wurden seitdem geprüft. Der elfte ist nun das Pfarrhaus für das sich der Gemeinderat 2019 ausgesprochen hat. In der Januarsitzung diesen Jahres stimmte der Rat dem Abschluss eines Stufenvertrages mit den Leipziger Architekten zu und beauftragte zunächst die Leistungsphasen 1 und 2 (Grundlagenermittlung und Vorplanung). Bereits 2010 hatte der Gemeinderat Leitprojekte im Rahmen des ISEK beschlossen und dann mit den Bürgern fortgeschrieben. Ein Leitprojekt ist seit 2019 die Verlagerung des Rathauses ins Pfarrhaus mit Schaffung eines Bürgersaals, Tourist-Info, öffentlicher Nutzungsmöglichkeit des Fürstensaals mit Potential touristischer Erweiterung mit einem Pilgercafé. Zweites Leitprojekt die barrierefreie Sanierung der öffentlichen Toiletten und drittes Leitprojekt die Öffnung und Nutzung des Pfarrgartens als Erholungs- und öffentlicher Begegnungsraum im Ortskern. Diese drei Leitprojekte bilden gemeinsam das Projekt „Pfarrhaus-Rathaus.“ Begleitende Maßnahmen dazu sind die gestalterische Aufwertung des Marktplatzes, das Parkraumkonzept, das Park- und Besucherleitsystem sowie der Anschluss an das Nahwärmenetz als nachhaltige Energieversorgung. Bei dem Gesamtkonzept geht es also nicht nur um einen Umzug der Verwaltung in das Pfarrhaus, sondern um eine Aufwertung und Attraktivitätssteigerung des gesamten Ortskerns. Weiterhin betonte Zimmermann, dass der Markt Gößweinstein im Rahmen des Erbbaurechts seit Februar 2020 Eigentümer des Pfarrhauses mit Nebengebäuden und Pfarrgarten auf einer Fläche von 3999 Quadratmetern ist. Der Erbbauvertrag mit der Kirche gilt vorerst für 60 Jahre, kann immer wieder verlängert werden und der Erbbauzins betrug einmalig symbolisch einen Euro. Das Nutzungsrecht für das Pfarrbüro, von dem aus ein Zugang vom Basilikavorplatz geschaffen werden soll, bleibt bei der Kirche. Deshalb beteiligt sich die Kirche im Verhältnis zur genutzten Fläche sowohl an den Sanierungskosten als auch den späteren Nebenkosten inklusive Bauunterhalt. Bisher angefallene Kosten sind der Anschluss an das Nahwärmenetz für 29 000 Euro, das Vergabeverfahren für 90 000 Euro (Zuschuss 90 Prozent) und die Architektur- und Ingenieurleistungen für die Leistungsphasen 1 und 2 für 210 000 Euro, die nur dann gefördert werden, wenn das Projekt auch umgesetzt wird. Die bisher geplante Finanzierung sieht rund 4,23 Millionen Euro Staatszuschüsse, 600 000 Euro bereits erhaltene Stabilisierungshilfe und rund 1,2 Millionen Euro Zuschuss der Kirche vor. Somit liegt die Summe der Einnahmen bei rund 6 Millionen Euro. Gesamtkosten für den Umbau zum Rathaus inklusive Erweiterungsbau, Pfarrgarten und öffentliche Toiletten wurden auf rund 8,6 Millionen Euro geschätzt. Für die Rathausausstattung sind 200 000 Euro angesetzt, für die Nachnutzung des alten Rathauses 50 000 Euro. Somit verbliebe ein Investitionseigenanteil für den Markt Gößweinstein von rund 2,8 Millionen Euro. Wie Zimmermann betonte habe man die Sanierungskosten wegen zu erwartender Preissteigerungen schon damals mit 500 000 Euro mehr angesetzt, um einen Puffer zu haben. Weil befürchtet wird das sich die Gemeinde bei dem Projekt finanziell überhebt, ging der Bürgermeister auch ausführlich auf die Finanzsituation des Marktes ein. Derzeit liegt die Verschuldung bei rund 1,4 Millionen Euro, bis 2025 – dann soll das Rathaus fertig sein – steigt diese voraussichtlich auf rund 2,5 Millionen Euro an. Letztes Jahr konnte konnte der Markt seinen Anteil von rund 2,7 Millionen Euro für die neue Doppelsporthalle bereits komplett aus den Rücklagen bezahlen. Seit 2014 wurden rund 16,5 Millionen Euro in Infrastrukturmaßnahmen investiert, bei einem Eigenanteil von rund 10,5 Millionen Euro. Ohne das ISEK-Projekt Pfarrhaus und Pfarrgarten sind zudem bis 2025 weitere rund 2,5 Millionen Euro für die Verbesserung der Infrastruktur geplant.
Stimmen der Bürger und Antworten
Als erster meldete sich Ferdinand Haselmeier, Sprecher der IG des Bürgerbegehrens „Kein Rathaus ins Pfarrhaus“ zu Wort. Wie Haselmeier sagte sei im nach der Präsentation des Bürgermeisters aufgefallen, dass sich seine Zahlen mit denen von Hanngörg Zimmermann (FW) decken. Er wundere sich deshalb, wieso er, Zimmermann, seine Ausführungen als Halb- und Unwahrheiten bezeichnet habe.
2015 hätte Zimmermann verkündet, dass er in den nächsten vier Jahren für 1,7 Millionen Euro ein neues Rathaus bauen wolle, ohne dafür neue Schulden aufzunehmen, so Haselmeier. Zimmermann dankte für Haselmeiers Wortmeldung, eine Antwort kam jedoch von Gottfried Polzer, Haselmeiers Nachbar. „Ich halte diese Ausführungen etwas für seltsam, Herr Haselmeier“, so Polzer. Winfried Schuh fragte nach den Parkplätzen. Dazu erklärte Zimmermann, dass der Pfarrgarten nicht versiegelt werden soll und sich Parkplätze beim Friedhof und altem Rathaus befinden. Markus Zweck wollte wissen, woher die Zahl 8,6 Millionen Euro kommt. Zimmermann betonte, dass es sich um eine Grobschätzung nach dem Baukostenindex handelt und Architekt Michael Schoener ergänzte das die Zahl eine realistische Größe ist. Allerdings wäre es zum jetzigen Zeitpunkt unseriös genauere Zahlen zu nennen, weil es noch keine Kostenschätzung gibt. Baufachmann Gerhard Wolf verwies darauf, dass im letzten Halbjahr die Baupreise um 30 Prozent gestiegen sind. Rechne man auf die 8,5 Millionen Euro 30 Prozent drauf, dann sei man laut Wolf bei 2,4 Millionen Euro Mehrkosten zur Grobschätzung. Dazu räumte der Planer ein, dass der Markt in bestimmten Segmenten derzeit unkalkulierbar sei. Er habe auch schon Ausschreibungen aufheben müssen. Bürgermeister Zimmermann räumte ebenfalls ein dass es Preissteigerungen gäbe, hielt das Ganze aber für eine imaginäre Diskussion, weil man noch keine konkreten Untersuchungen der Bausubstanz und somit noch keine genaueren Zahlen habe. Deshalb sei aber schon ein Puffer von 500 000 Euro draufgesattelt worden. Zweck wollte nun wissen ob es auch höhere Zuschüsse gibt, wenn es teurer wird. Dies bestätige der Planer, weil die Zuschüsse prozentual erfolgen (aktuell rechnet man im Schnitt mit 70 Prozent Zuschuss) und die Regierung kein Interesse daran habe das eine Gemeinde handlungsunfähig wird. Georg Schäffner, der die Idee mit dem Pfarrhaus hatte, wunderte sich, das für den Saal nun ein Anbau geplant wird, obwohl dieser im ersten Plan im Dachgeschoss integriert war. Die neueste Erkenntnis dazu sei, dass die beiden wuchtigen Kamine denkmalgeschützt sind. Deshalb reiche der Platz für einen Saal im Dachgeschoss nicht aus, so Zimmermanns Antwort. Zum Thema Neutralität zwischen Kirche und Gemeinde, wie von Haselmeier kritisiert, sagte Schäffner, dass er sich nicht vorstellen könne das sich der Pfarrer in die Belange der Gemeinde einmischt oder die Angestellten des Rathaus am Sonntag in die Kirche „prügelt.“ Das die Kirche nichts investiert habe, wies Schäffner ebenfalls energisch zurück. Schäffner nannte enorme Investitionen von 3,2 Millionen Euro in die Sanierung der Basilika, davon über 1 Millionen durch die Pfarrei selbst. Auch in das Wallfahrtsmuseum und in die Klosterkirche investierte die Kirche enorm und zur Pfarrhaussanierung kommen vom erzbischöflichem Ordinariat 1,2 Millionen Euro hinzu. Weiter wollte Schäffner wissen, ob es für einen Rathausneubau an anderer Stelle auch Zuschüsse gibt. „Ein Neubau ist nicht förderfähig, nur ein Saal, der auch der Öffentlichkeit zur Verfügung steht“, so die Antwort des Bürgermeisters. Ein Verkehrschaos am Marktplatz, wie von Haselmeier befürchtet, sah Schäffner nicht. Denn Ausflugsbusse dürften nur zum Ein- und Aussteigen kurz halten. Martin Redel wunderte sich, wieso man unbedingt eine Saalanbau braucht. Der Gemeinderat könne auch woanders tagen. Außerdem verändere sich dadurch die Außendarstellung des Pfarrgartens. „Von der Optik her kann ich noch nichts sagen, weil ich noch nicht weiß, wie es aussehen wird“, so Zimmermann, der betonte, das es der Wunsch der Bürgerschaft war, dass der Pfarrgarten geöffnet wird. Ein Saal sei außerdem auch für die Infrastruktur des öffentlichen Raums wichtig. „Hauptzweck ist die Belebung des Ortes“, so der Rathauschef. Markträtin Carolin Keller (FW) betonte, dass es jetzt mit dem Rathaus langsam Zeit werde. Das Rathaus im Pfarrhaus ist nach ihrer Meinung eine enorme Attraktivitätssteigerung für die ganze Gemeinde. Das Architekturbüro mache für sie einen vertrauenswürdigen Eindruck. „So ein Projekt steht und fällt mit der Auswahl des Architekten“, gab ihr Josef Neuner recht. „Das sollte dann auch mindestens 50 Jahre halten, auch wenn es ein paar Euro mehr kostet“, meinte Konrad Helldörfer und fragte, ob man den Anbau nach 60 Jahren stehen lassen könne, wenn man sich dann umentscheide. „Ja“, so Zimmermanns Antwort. „Kritik ist berechtigt“, so Stefan Bogner, der das Projekt „toll und gut“ fand, weil es für den Ortskern eine einmalige Chance sei. Ein Risiko, ein altes Gebäude zu sanieren sei immer vorhanden, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt, so der frühere CSU-Marktgemeinderat. Wie es später einmal mit den Betriebskosten zwecks energetischer Situation aussieht, wollte Marktrat Bernhard Vogel (SPD) wissen. Dazu könne man noch keine Angaben machen, so der Planer. Das Dach wird aber auf jeden Fall gedämmt, die Fenster innen aufgedoppelt. Den energetischen Standard eines Neubaus könne man aber nicht erreichen. Ein attraktiver Faktor sei aber das Nahwärmenetz, so Schoener. „Mir gefällt`s sehr gut“, war das Schlusswort eines vor längerer Zeit zugezogenen Gößweinsteiners.