Letzter Vorposten der Alpen in Oberfranken: Die Gebirgsschrecke bei Pottenstein
Von Thomas Weichert
POTTENSTEIN
Auf der Pottensteiner Finkenleite im Weihersbachtal oberhalb der B 470 vor dem Felsenbad in Richtung Pegnitz lebt ein buntes Tier, dass etwa seit 10.000 Jahren hier schon zuhause sein könnte und ein letztes und vom Aussterben bedrohte Eiszeitrelikt ist. In Oberfranken kommt es nur noch hier und auf der gegenüberliegenden Talseite auf der Prüllsleite in geringeren Beständen vor. Entdeckt hat dieses Tier vor etwa vier Jahren der Biologe Andreas Niedling von der oberen Naturschutzbehörde der Regierung von Oberfranken bei einem Spaziergang auf der Finkenleite. Die Rede ist von der so genannten „Gewöhnlichen Gebirgsschrecke, einer Heuschreckenart die nicht fliegen kann und die man auch als „Pottensteiner Gebirgsschrecke“ bezeichnen könnte da diese spezifische Art nur hier vorkommt.
Seit der Entdeckung dieser seltenen Heuschreckenart wird nun von den Naturschutzbehörden, dem Landschaftspflegeverband Fränkische Schweiz – Rotmaintal, dem Naturpark Fränkische Schweiz – Veldensteiner Forst und nicht zuletzt vom Freistaat Bayern als Zuschussgeber alles getan um die „Gewöhnliche Gebirgsschrecke“ in Pottenstein nicht aussterben zu lassen. Dafür wurde von der Regierung von Oberfranken nun extra ein Projekt ins Leben gerufen das Gerhard Bergner als Projektverantwortlicher betreut und die Biologen Andreas und Claudia Hemp von der Universität Würzburg wurden mit der Erforschung und Kartierung der Vorkommen der „Gewöhnlichen Gebirgsschrecke“ beauftragt.
Das Gebirgschrecken-Faltblatt
Die Regierung brachte sogar ein Faltblatt heraus die sich mit dem Insekt aus der Eiszeit beschäftigt. Demnach ist die „Gewöhnliche Gebirgsschrecke“ ein außergewöhnliches Tier. Eine bunte und kontrastreiche Heuschrecke. 17 bis 30 Millimeter lang, die Weibchen sind deutlich größer als die Männchen. Sie frisst Gräser und Kräuter und selten tote Insekten und wird gerne von Eidechsen und Vögeln selbst gefressen. Da sie nur kurze Stummelflügel hat erzeugt sie auch nicht den typischen „Heuschreckengesang“ sondern nur ein „Zähneknirschen“. Eigentlich kommt die „Gewöhnliche Gebirgsschrecke“ von den Pyrenäen über die Alpen bis hin zum Balkan und Osteuropa vor, in Deutschland aber nur noch in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern.
Einzigartig in Pottenstein
Dennoch ist die „Pottensteiner Gebirgsschrecke“ wohl einzigartig, wie Claudia Hemp sagt. Denn da Tier ist flugunfähig und Untersuchungen haben ergeben das es täglich nur sechs bis neun Meter Laufstrecke in einem Aktionsradis von nur 15 Metern zurücklegt. Das Tier kann also seinen Lebensraum nicht aus eigener Kraft wechseln und es ist daher zu vermuten, dass diese Art schon seit der Eiszeit auf der Finkeleite bei Pottenstein lebt. Es gilt daher den Lebensraum dieser seltenen und einzigartigen Heuschreckenart, die auch als die „Schnecke der Heuschrecken“ bezeichnet wird, zu erhalten und zu optimieren, wie Berger erklärt. Sehr wichtig sind dafür die Schafe von Schäfer Konrad Stiller denn diese sorgen dafür, das die Finkenleite nicht verbuscht. Und dort wo die Schafe nicht hinkommen, ist der Landschaftspflegeverband von Dr. Manfred Teckelmann gefragt. Vor etwa vier Jahren wurde die Finkeleite auch mit Hilfe der Bergwacht Pottenstein entbuscht. Das ist nun wieder fällig um den Lebensraum so seltener Arten wie der Gewöhnlichen Gebirgsschrecke zu erhalten, sagt Teckelmann.
Prägender Magerrasen
Die Magerrasen um Pottenstein sind auch prägend für das Landschaftsbild und tragen damit wesentlich zum blühenden Tourismus der Stadt bei. Ebenso wichtig sind sie als herausragender Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten. Ein ganz besonderes Highlight ist dabei das Eiszeitrelikt "Gewöhnliche Gebirgsschrecke". In Oberfranken gibt es nur noch ein aktuelles Vorkommen bei Pottenstein, betont er Leiter des Sachgebiets Naturschutz bei der Regierung von Oberfranken, Dr. Herbert Rebhan. Daher habe die Regierung ein Biodiversitätsprojekt ins Leben gerufen um das Vorkommen der außerhalb der Alpen vom Aussterben bedrohten "Gewöhnlichen Gebirgsschrecke" bei Pottenstein erhalten.
Nur etwa 150 Exemplare
Bisher wurden dazu die Populationen dieser Heuschreckenart detailliert erfasst und Gefährdungsursachen aufgezeigt. Im weiteren Verlauf dieses Projekts werden nun die Lebensräume optimiert. Claudia Hemp schätzt, das an der Finkenleite jährlich 100 bis 150 Exemplare dieser Heuschreckenart leben, an der Prüllsleite nur ein Dutzend. Einzigartig ist das Pottensteiner Vorkommen der Gewöhnlichen Gebirgsschrecke deshalb, weil jedes Vorkommen dieser Heuschreckenart genetisch lange isoliert gelebt hat. „Wenn diese Art bei Pottenstein ausstirbt, kriegt man sie nicht wieder her“, betont die Biologin. Daher gilt es dieses einzigartige Biotop unbedingt zu erhalten.
Frühbeißer: Der Staat soll zahlen !
Pottensteins Bürgermeister Stefan Frühbeißer zeigte sich überrascht das diese Art als einzige nur in Pottenstein vorkommt. Er betonte aber auch dass der Naturschutz eine staatliche Aufgabe ist, sich die Kommunen ihrer Verantwortung dafür aber bewusst sind. Frühbeißer bezeichnete den Naturschutz und den Tourismus in der Tourismusgemeinde Pottenstein mit der einen Steinwurf entfernten Sommerrodelbahn oftmals als Gradwanderung. Um die artenreichen Magerrasen rund um Pottenstein zu erhalten, sind aber viele Hände und Köpfe notwendig. Maßgebliche Akteure sind neben der Stadt Pottenstein der Schäfer Konrad Stiller, der Landschaftspflegeverband Fränkische Schweiz Rotmaintal, der Naturpark Fränkische Schweiz-Veldensteiner Forst und die Bergwacht Pottenstein. Sie alle sorgen gemeinsam mit den Naturschutzbehörden dafür, den herausragenden Lebensraum durch Beweidung und ergänzende Entbuschungsmaßnahmen zu erhalten. Nächstes Jahr soll es Exkursionen zur „Gewöhnlichen Gebirgsschrecke“ geben und eine Infotafel an der Finkeleite soll dazu auch aufgestellt werden.
Die "Gewöhnliche Gebirgsschrecke" bei Pottenstein. Foto: Dr. Claudia Hemp
Die "Gebirgsschreckenschützer" auf der Finkeleite bei Pottenstein. Fotos: Thomas Weichert